Die Quelle des Mirabaches, mit seinen Ursprung in einem tiefen, unergründlichen See in den Höhlen des Unterbergs war einmal versiegt. Das Bachbett ohne Wasser und seine Umgebung schien der Dürre und der Verödung preisgegeben zu sein.
Ein Hirte, der dort oben auf einer der wenigen Waldwiesen das ihm anvertraute Vieh weidete, litt schweren Durst. Nirgends ein Quellchen, nirgends auch nur das kleinste Wasserrinnchen. Auch das Vieh auf der Weide fühlte sich unter den heißen Sonnenstrahlen nicht wohl und suchte im nahen Wald den kühlen Schatten auf. Des Hirten letzte Hoffnung bildete die Miraquelle. Zu der war es aber ein weiter Weg und außerdem sollte in den finsteren Quellgewölben ein böser Lindwurm hausen, den schon so mancher einsame Waldgänger brüllen gehört haben wollte, wenn er bei der Miralucke vorbeizog. Nach einem die Gegend ringsum verheerenden Unwetter wurde später einmal sein Gerippe von den talwärts rasenden Fluten bis nach Pernitz abgeschwemmt. Doch war augenblicklich der Durst, der den Hirten plagte, stärker als die Angst vor dem Untier und so machte er sich halt gegen die Mittagsstunde zu auf den Weg, musste aber, als er bei der Miralucke angekommen war, zu seinem Schrecken feststellen, das seine Mühe umsonst war, denn die Quelle war versiegt .Traurig stand er vor ihr und wusste sich keinen Rat.
Da tauchte plötzlich das Männchen vom Mirasee vor ihm auf. Dieses sah des Hirten Not und schlug mit seinen Stock mehrmals an den Fels, worauf alsbald frisches, klares Quellwasser dem weißen Kalkstein entsprang, an den sich der Hirte gierig labte. Das Seemännchen sah ihm dabei mit freudigem Grinsen zu.
Kaum war der Durst des Hirten gelöscht, als er Hunger verspürte. Das Seemännchen sah ihm das Verlangen nachetwas Essbarem an. Er wollte ihm auch da helfen und schlug mit seinen Knüppelstock auf die Wasserfläche im inneren der Luke, wohin ihn das Männchen freundlich geführt hatte, worauf das Wasser nur so von Forellen nur so wimmelte. Vor Überraschung vergaß der Hirte fast seinen Hunger, doch fasste er sich bald wieder und hielt reichlich Fang unter den Fischen. Wie das Seemännchen die Freude das Hirten sah, schenkte er ihm den Stock, damit er immer, wann er wollte, sich Forellen aus dem Wasser verschaffen könne, doch knüpfte es die Bedienung daran, von jedem gefangenen Fisch auch einen Teil zu bekommen.
Da erlaubte sich der Hirte einen schlechten Scherz. Er fing einen Fisch, stach ihm die Augen aus und warf sie dem Seemännchen hin. Dieses war begreiflicherweise über diese Rohheit sehr entsetzt und enteilte unter großem Getöse ins Dunkel der Höhle,
Der Hirt, dem es nun auch zum Bewusstsein gekommen war, wie undankbar und grausam er sich benommen hatte, grub nun den Knüppelstock nahe der Luke in den Boden ein, um ihn zur Hand zu haben, wenn er wieder einmal zur Quelle kommen würde und er der Nahrung oder des Wasssers bedürfe.
Der Hirte kam nicht wieder; er ging verschollen. Die Quelle aber versiegte seither nicht mehr, doch die Fische in ihrem Wasser sind blind.